„Der Friedhof der Zukunft“ – so war ein Wettbewerb überschrieben, der vom Fachbereich Kinder und Jugend im Zentrum Bildung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und der Landeshauptstadt Wiesbaden, vertreten durch das Grünflächenamt, ins Leben gerufen wurde.
Der Wettbewerb, der mit insgesamt 1.800 EUR dotiert ist, richtete sich an Schülergruppen und Schulklassen der gymnasialen Oberstufe und an Berufsbildenden Schulen auf dem Gebiet der EKHN. Er ist aus einer Kooperation im Bereich Friedhofserkundungen auf dem Wiesbadener Nordfriedhof hervorgegangen, in deren Rahmen Kinder und Jugendliche den Friedhof von einer anderen Seite erleben und ihn erlebnispädagogisch erkunden und entdecken können.
Die Kooperationspartner wollten mit dem Wettbewerb eine Auseinandersetzung mit den Themen Sterben, Tod und christlicher Jenseitshoffnung vor dem Hintergrund des enormen Wandels der Bestattungskultur einerseits und einer vielfachen Tabuisierung der hier aufgerufenen Themen andererseits ermöglichen, sowie innovative Ideen für den Friedhof der Zukunft aus der Perspektive Jugendlicher sammeln.
„Friedhöfe sind faszinierende Orte und ein Ort der Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen. Die Auseinandersetzung mit solchen Fragen ist gleichzeitig eine großartige Chance, mehr Intensität in das eigene Leben zu bekommen und Ängste, die sich aus dem Gedanken an die eigene Vergänglichkeit häufig ergeben, abzubauen“, so Pfarrer Stephan Da Re, der bis Januar Theologischer Jugendbildungsreferent der EKHN war und Initiator des Wettbewerbs gewesen ist.
Der Wettbewerb, dessen Schirmherrschaft der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Dr. h.c. Volker Jung, und Stadtrat Andreas Kowol übernommen hatten, ist vor wenigen Tagen zu Ende gegangen. Die Jury lobt den Ideenreichtum und die Kreativität der eingesandten Unterlagen und Exponate. „Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema ist deutlich erkennbar. Die Jugendlichen haben sich Fragen ausgesetzt, die sie sich im Alltag selten oder gar nicht stellen“, so Sven Engel, Nachfolger von Stephan Da Re als Theologischer Jugendbildungsreferent der EKHN und Mitglied der Jury.
Der 1. Platz entfiel auf die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Kunst der Gustav-Heinemann-Schule in Rüsselsheim. Mit gleich vier verschiedenen Exponaten, die in Kürze auf dem Waldfriedhof in Rüsselsheim zu sehen sein werden, haben sie die Jury beeindruckt. Dabei wurden sie künstlerisch betreut durch ihre Lehrerin Julia Matlok und theologisch beraten von Maren Unruh.
So besticht das Konzept „Friedhof als Park“ durch größere und kleinere Flüsse, die den Park unterteilen und verschiedenen Religionen ihre je eigenen Gräberfelder zuweisen. Dabei betonen die Macher die symbolische Bedeutung des Wassers in den drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Durch Brücken werden nicht nur die einzelnen Teile des Parks, sondern auch die verschiedenen Religionen miteinander verbunden. Ein Café als Mittelpunktsort ermöglicht die Begegnung von Angehörigen und Menschen, die den Friedhof als Naherholungsgebiet und grüne Lunge einer Stadt nutzen.
Bei dem Konzept „Friedhof als Museum“ steht ein Kuppelbau mit einer Glaskuppel im Mittelpunkt, dessen äußere Erscheinungsform mit seiner Bestimmung korrespondiert: Mit ihrer Idee, die Asche von Verstorbenen zu Diamanten pressen zu lassen und diese in Glaskästen öffentlich zugänglich zu machen, greifen die Macher ein nicht nur in den christlichen Kirchen sehr umstrittenes Thema auf, sondern führen es gedanklich weiter. Den Diamanten werden Name der oder des Verstorbenen sowie die entsprechenden Lebensdaten beigegeben. Angehörige haben darüber hinaus die Möglichkeit, auf einem der vielen Sofas zur Ruhe zu kommen und etwas zu verweilen.
Im Konzept einer weiteren Schülergruppe des Leistungskurses Kunst spielen Privatsphäre und Respekt eine besondere Rolle, weshalb der Friedhofsbesuch aus Sicht der Macher nur Familien, Bekannten, Freunden und Nahestehenden gestattet werden sollte. Auch in anderer Hinsicht geht diese Gruppe einen eigenen Weg, indem sie ausschließlich Urnenbeisetzungen vorsieht. Dies spiegele die gegenwärtige Tendenz in vielen Großstädten, was unterschiedliche Gründe habe. Ein ausgeklügeltes Lichtkonzept ermöglicht die Illumination von Gräbern und Grabsteinen an ausgewählten Tagen wie z.B. Geburtstagen, Todestagen oder Feiertagen mit religiösem Charakter.
Das vierte Konzept geht von einem oberirdischen Rundbau mit einer Glaskuppel als Dach aus, auf der das Wort „Friede“ in verschiedenen Sprachen erscheint und durch die Licht in das Innere fällt. Neben einem Café und einem Blumenladen soll es auch eine Initiative geben, die Angehörige mit Blick auf eine bevorstehende Beerdigung, bei Bedarf jedoch auch darüber hinaus im Sinne von Begleitung und therapeutischer Hilfe, unterstützt. Der obere Bereich setzt sich unterirdisch fort, wo die Besucherinnen und Besucher durch rundbogenartig verlaufende Gänge zu kleinen begehbaren Räumen gelangen, in denen die Verstorbenen beigesetzt und Erinnerungsstücke aufgestellt werden können.
Den 2. Platz lobte die Jury an vier Schülerinnen und Schüler der gymnasialen Oberstufe der Theo-Koch-Schule in Grünberg aus, die im Rahmen einer Projektwoche unter der Leitung von Dekan und Schulpfarrer Norbert Heide zum Thema gearbeitet haben. Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Wandel der Bestattungskultur und den gegenwärtigen Bestattungsmöglichkeiten und -formen sowie mehreren Exkursionen zu Friedhöfen im Gießener Land ist die „Arena Pace Futura“ entstanden, die Altes und Neues in Einklang bringt. Neben eher traditionell gestalteten Grabfeldern, die Angehörigen unterschiedlicher Religionen vorbehalten sind, gibt es in der „Arena Pace Futura“ auch unterirdische Katakomben, einen Bestattungswald, einen Japanischen Garten und einen Gnadenhof für Tiere. Dem Kriterium der Nachhaltigkeit wird durch eine integrierte Obstplantage, einer Blumenwiese für Insekten und einem bewirtschafteten Feld Rechnung getragen. In der „Kronjuwelen-Halle“ können aus der Asche von Verstorbenen gepresste Diamanten und Saphire ausgestellt werden. Der Kinderspielplatz erlaubt eine Nutzung des Friedhofs als Freizeitstätte und ermöglicht zugleich eine frühe Sensibilisierung für die hier mit aufgerufenen Themen. Der gesamte Friedhof ist barrierefrei und behindertengerecht. Rollbänder und QR-Codes ermöglichen eine gute Orientierung trotz Weitläufigkeit des Friedhofs.
Den 3. Platz teilen sich drei Lerngruppen der Gustav-Stresemann-Wirtschaftsschule in Mainz, die von Schulpfarrerin Monika Bertram betreut wurden. „Da sich die Entwürfe in ihrer Qualität und Quantität sehr ähneln, fiel es uns in diesem Fall besonders schwer, eine Abstufung vorzunehmen. Wir haben uns daher entschieden, keinem der drei Beiträge den Vorzug zu geben und stattdessen das Preisgeld zu teilen“, so Carsten Weller von der Friedhofsverwaltung der Stadt Wiesbaden, die als Kooperationspartner von Anfang an mit im Boot war.
Der interreligiöse Charakter der Friedhofsanlage einerseits und die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern andererseits zeichneten die drei Wettbewerbsbeiträge in besonderer Weise aus. So gebe es in allen drei Entwürfen Spielplätze, auf denen sich Kinder, die selbst um ein Familienmitglied trauern oder den Friedhof in Begleitung eines trauernden Angehörigen besuchen, austoben oder an einer Gedenkwand Nachrichten hinterlassen können. Erfahrene Sozialarbeiter dienten als Ansprechpartner in allen Fragen des Lebens und des Todes. Einer der Entwürfe bot darüber hinaus die Idee eines Trauerkinos, das per USB-Stick kurze Sequenzen aus dem Leben der Verstorbenen zeige. Die Aufteilung der Gräberfelder erfolge gemäß Religionszugehörigkeit, was sich auch in den dort vorzufindenden religiösen Kultstätten äußere (Synagoge, Kirche, Moschee, hinduistischer Tempel und buddhistisches Kloster). Letzteres dürfte indes schwer zu realisieren sein, berücksichtigt man, unter welchem Kostendruck viele Kommunen als Friedhofsträger stehen.
„Wir sind sehr dankbar für so viele Anregungen, von denen wir als Friedhofsträger sicherlich einige aufgreifen werden“, so die Leiterin des Grünflächenamtes Gabriele Wolter. „Dass die intensive Beschäftigung mit dem Tod viele Ideen freisetzt und sogar Spaß machen kann, haben diese Jugendlichen bewiesen. Ihnen gilt unser Respekt und unser Dank!“, so Wolter weiter. Oliver Dequis, Leiter der Friedhofsabteilung im Grünflächenamt, ergänzt: „Es ist großartig, dass sich die Jugendlichen diesem Thema ausgesetzt haben. Die eingereichten Unterlagen und Ergebnisse können sich sehen lassen!“
Die Preisverleihung für den Wettbewerb findet am Mittwoch, den 31. Oktober 2018, von 10.00-11.00 Uhr im Rathaussaal der Stadt Wiebaden statt.